Praxisbeispiel: Professionelles Integrationsmanagement auf Augenhöhe

Maria Glišić, Teamleiterin Integrationsmanagement
© Maria Glišić

Stand: 23.10.2024

Die Länderbahn ist ein privates Eisenbahnverkehrsunternehmen und hat viele Erfahrungen mit Mitarbeitenden aus dem Ausland. Dafür beschäftigt das Unternehmen ein professionelles Team, welches sich um das Integrationsmanagement kümmert. Die verantwortliche Teamleiterin Maria Glišić schildert im Interview mit „Make it in Germany“, welche Erfahrungen Die Länderbahn mit Integrationsmanagement gemacht hat.

 

Wie sind Sie grundsätzlich an das Integrationsmanagement herangegangen? Haben Sie ein „Erfolgsrezept”? 

Maria Glišić: Wenn man neue Zielgruppen erreichen will, gibt es nicht DAS Konzept oder Erfolgsrezept, das für jeden funktioniert.  Es darf nicht vorausgesetzt werden, dass Menschen, die nach Deutschland kommen, das nötige Wissen mitbringen, um einen guten Start in diesem Land selbstständig zu absolvieren. Da wir als Unternehmen aber diese Fachkräfte motiviert haben, in unser Land, in unser Unternehmen zu kommen, sind wir auch für sie verantwortlich. Daher kann Integrationsmanagement nicht einfach im Arbeitsalltag nebenherlaufen.

Der Hauptschwerpunkt der betrieblichen Integrationsarbeit lässt sich zusammenfassen mit dem Zitat: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“ [Anm. der Redaktion: Zitat von Max Frisch].

Wir müssen uns bewusst machen: Ich bringe nicht nur jemanden hierher, der meine Personalkennzahlen vervollständigt. Es sind Menschenleben, Biografien, es sind auch Familienangehörige. Das verlangt viel Verständnis für die konkrete Situation, in der sich Menschen befinden. Diese Arbeit geht weit über die Arbeit einer Personalabteilung hinaus. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, immer Gruppen zu bilden mit denen, die den Weg aus dem Ausland zu uns suchen und denen, die bereits seit einiger Zeit in Deutschland leben. Denn wir haben festgestellt, dass es hilft, wenn Menschen verschiedener Herkunft sich gemeinsam auf ein Ziel hinbewegen. Sie können sich gegenseitig helfen und wir begleiten sie bei dieser Entwicklung. Das bedarf Zeit, Einfühlungsvermögen und Geduld.

Es ist kein Top-Down-Prozess, sondern man muss die gesamte Belegschaft mitnehmen, auf allen Ebenen, von der Geschäftsleitung bis zu jedem einzelnen Bestandsmitarbeiter. Wir haben zum Beispiel auch partizipative Workshops durchgeführt und viele Gespräche geführt, um Berührungsängste zu nehmen und eine Normalität zu schaffen. Man muss sich trauen, nachhaltig in das Integrationsmanagement zu investieren und die soziale Verantwortung von Anfang an zu tragen – das macht den Unterschied.

 

Was tun Sie als Vorbereitung auf die Einreise der Fachkräfte nach Deutschland?

Maria Glišić:  Wir klären zunächst auf der rechtlichen Ebene: Was braucht es, um eine Existenz in Deutschland zu haben? Wie funktioniert dieses Land? Aufenthaltserlaubnis, Wohnadresse, Kontonummer, Steueridentifikationsnummer, Rentenversicherung, Sozialversicherung, Krankenversicherung – alles, was dazu gehört. Der Mensch, der aus dem Ausland kommt, hat das nicht. Und er weiß vielleicht auch nicht, wie er das macht. Das ist meine Aufgabe, und das ist vielleicht eine sehr konkrete Maßnahme der Integration, dass ich die Mitarbeitenden bei diesen ganzen Dingen unterstütze und begleite.

Ich kommuniziere mit den neuen Mitarbeitenden, damit sie verstehen, was auf sie zukommt. Man kann sich auch selbst fragen: Was würde ich mir wünschen, wenn ich alles hinter mir lasse und irgendwo neu anfangen möchte? Was würde mir die Sicherheit geben?  Ich glaube, darin liegt der Schlüssel. Außerdem achten wir in der Kommunikation auf die sprachliche Barriere. Für das erste Gespräch suchen wir innerhalb der Belegschaft freiwillige Dolmetscherinnen / Dolmetscher – so trauen sich die Bewerbenden auch eher, nachzufragen. Und die Bestandsmitarbeitenden sind ein Teil des gesamten Prozesses.

Was wir auch zur Vorbereitung machen, ist ein Videocall namens „Willkommen in Die Länderbahn“, wo wir uns, die Region und die Ansprechpersonen vorstellen und Fotos zeigen. Und wir erklären der neuen Fachkraft ganz genau, welche Unterlagen sie braucht, die vielleicht auch nicht alle direkt mit der Arbeit zu tun haben. Dafür haben wir eine Checkliste erstellt und außerdem ein Dokument mit der Darstellung und Erklärung einzelner Schritte des Einreiseprozesses. Wichtig ist uns dabei, immer fair und transparent zu sein, zum Beispiel, dass ein Anerkennungsprozess sich auch mal verzögern kann und sich der Arbeitsstart etwas hinziehen könnte.  

Und nach der Ankunft? Welche konkreten Maßnahmen zur Integration und zum Onboarding haben sich bewährt?

Maria Glišić: Wenn die neuen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland zu uns kommen, starten wir zuerst mit einem Ankommen. Der erste Arbeitstag beginnt dann damit, dass wir Formulare durchgehen, das Unternehmen zeigen, das Kollegium vorstellen usw. – genau wie bei neuen Mitarbeitenden aus dem Inland auch.

Nach dieser Einführung geht das Onboarding weiter mit einem detaillierten Einarbeitungsplan. Der sieht vor, in welcher Woche welche Aufgaben anstehen. Dies beginnt bereits mit der Anmeldung im Rathaus. Wir sind immer im Austausch und unterstützen, ob bei der Anpassungsqualifizierung, der Anerkennung des Führerscheins oder dem Familiennachzug. Außerdem kümmern wir uns um einen Sprachkurs, laden zu Festen ein und versuchen auch privat, die Mitarbeitenden untereinander zu vernetzen. Das kann ein Grillen mit Kolleginnen und Kollegen sein, ein gemeinsames Fußballspielen, oder andere Aktivitäten. Letztendlich finden die Menschen auch zueinander, wenn man ihnen den Raum gibt.

Die verschiedenen Maßnahmen zeigen immer wieder: Integration hängt auch vom Einzelnen ab. Bei manchen läuft es schnell, andere brauchen mehr Zeit.

Was möchten Sie anderen Unternehmen mitgeben, die gerade erst mit der Rekrutierung im Ausland beginnen und noch Unsicherheiten mitbringen?

Maria Glišić: Wenn man den Weg gehen möchte, muss man es in die eigene Hand nehmen, lernen und sich weiterbilden. Das kann man ab einer gewissen Mitarbeiterzahl verantworten, bei Mikro- und Mini-Unternehmen kann ich das nicht voraussetzen.

Nichtsdestotrotz: Wir haben in Deutschland auch eine sehr breit gefächerte Unterstützungsstruktur, mittlerweile ein ganzes Unterstützungsnetzwerk. Die Stellen werden immer mehr, vielleicht werden sie dadurch auch ein bisschen unüberschaubar für manche. Aber man kann sich beraten lassen und sollte die Angebote auch in Anspruch nehmen. Die erste und gute Hilfe hierbei kann immer das Portal „Make it in Germany“ sein.

Wenn man den Weg mit Fachkräften aus dem Ausland gehen will oder den Weg gehen muss, dann muss man auch Zeit, die bekanntlich monetär umzurechnen ist, in Kauf nehmen. Sich selbst darauf vorzubereiten, weil ich eben nicht voraussetzen darf: „Die, die kommen, die müssen sich anpassen“. Ich muss bei mir selbst Voraussetzungen schaffen, damit wir uns alle damit wohlfühlen, damit eine Integration gelingt.

 

Vielen Dank an Frau Glišić für das Interview!

Tipp

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