Auszubildender in Deutschland

Ausbildungschancen von ausländischen Ausbildungsinteressierten

30.06.2022: Die aktuellen Engpässe auf dem Arbeitsmarkt sind auch auf dem Ausbildungsmarkt spürbar. Wegen Bewerbermangel bleiben viele Ausbildungsstellen in bestimmten Branchen unbesetzt. Grund genug, um Ausbildungsinteressierte im Ausland zu suchen. Der folgende Beitrag beschreibt das Potenzial ausländischer Ausbildungsinteressierter und wie diese für den deutschen Ausbildungsmarkt gewonnen werden können. 

 

Auszubildende sind in Deutschland sehr gefragt

Das deutsche duale Ausbildungssystem ist besonders vielfältig. Auszubildende lernen nicht nur in der Berufsschule Theorie, sondern sind von Beginn an rund zwei Drittel der Ausbildungszeit in einem Betrieb tätig. Damit verdienen sie während der Ausbildung ihr eigenes Geld und erhalten wertvolle Einblicke in die betriebliche Praxis. Viele bleiben nach Abschluss als ausgebildete Fachkraft in ihrem Ausbildungsbetrieb. Anderen gelingt der Berufseinstieg in einem anderen Betrieb. 

Trotz dieser Vorteile haben Unternehmen es immer schwerer, alle offenen Ausbildungsstellen zu besetzen. Dies zeigen aktuelle Zahlen[1]: die Zahl unbesetzter Ausbildungsstellen steigt seit Jahren stetig und lag zum Stichtag 20. September 2021 bei rund 63.000 – ein Plus von 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr[2].

Wie in den Vorjahren fiel der relative Anteil unbesetzter Ausbildungsstellen im Handwerk am größten aus (16,4 Prozent). Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind Ausbildungsberufe mit großen Besetzungsschwierigkeiten unter anderem Berufe im Lebensmittelhandwerk, in der Orthopädie- und Rehatechnik oder auch im Metallbau. Absolut betrachtet fielen die meisten unbesetzten Ausbildungsstellen in den Zuständigkeitsbereich der Industrie- und Handelskammern (IHK) (36.000). In den Hotel- und Gaststättenberufen, im Berufskraftverkehr, aber auch im Verkauf gab es überdurchschnittliche Besetzungsschwierigkeiten. 

Auszubildende mit ausländischer Herkunft: großes Bewerberpotential für Ausbildungsbetriebe 

Um den Besetzungsproblemen im Ausbildungsmarkt entgegenzuwirken, rekrutieren mittlerweile viele Ausbildungsbetriebe Auszubildende mit ausländischer Herkunft. Dabei stellt die Gruppe von bereits in Deutschland lebenden Eingewanderten ein großes Bewerberpotential dar. Zum Ende des Jahres 2020 z. B. hatten insgesamt 140.829 Auszubildende in Deutschland einen ausländischen Pass[3]. Wie in Abbildung 1 gezeigt, machten Staatsangehörige Syriens (19.134), Afghanistans (14.964) und Iraks (5.577) fast 30 Prozent der ausländischen Auszubildenden aus. Dies kann zum Teil mit der in den Jahren 2015 und 2016 stark gestiegenen Anzahl zugewanderter Geflüchteter im schul- und ausbildungsrelevanten Alter erklärt werden. Weitere wichtige Herkunftsländer von Ausbildungsinteressierten waren neben der Türkei (Platz 2 in der Rangliste) EU-Staaten wie Italien (6.381), Polen (4.917), Rumänien (3.558), Kroatien (3.309) und Griechenland (3.129).

Abbildung 1, Quelle: Statistisches Bundesamt, 2020, eigene Darstellung

Betrachtet man die Ausbildungsbereiche, fällt bei den ausländischen Auszubildenden auf, dass sie häufig in Zuständigkeitsbereichen mit großen Besetzungsproblemen tätig sind. Abbildung 2 zeigt die wichtigsten Ausbildungsbereiche von ausländischen Auszubildenden im Jahr 2020. Mit über 65.000 Personen kommen die IHK-Berufe an der ersten Stelle, gefolgt von Handwerksberufen mit fast 53.000 Personen. Da diese Bereiche absolut (IHK) bzw. relativ (Handwerkskammern, HWK) die meisten unbesetzten Ausbildungsstellen vorweisen, tragen ausländische Auszubildende dazu bei, Lücken am Ausbildungsmarkt zu füllen und Besetzungsprobleme zu verringern. 

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Abbildung 2, Quelle: Statistisches Bundesamt, 2020, eigene Darstellung

Auszubildende aus dem Ausland beschäftigen: Was muss man beachten?

Bei der Beschäftigung von ausländischen Auszubildenden müssen einige Punkte berücksichtigt werden, bei denen es Unterschiede zu deutschen Auszubildenden geben kann.

Schulabschluss: Ob ein bestimmter Abschluss für die Berufsausbildung erforderlich ist, variiert je nach Art der Ausbildung. Bei einer dualen Berufsausbildung werden die fachlichen Voraussetzungen vom Ausbildungsbetrieb festgelegt. Für die Aufnahme einer schulischen Berufsausbildung setzen die meisten Berufsfachschulen das Vorhandensein eines Schulabschlusses voraus. Dies wird nach Bundes- oder Landesrecht geregelt. Wurde der Schulabschluss außerhalb Deutschlands erworben, kann eine formale Anerkennung des Schulzeugnisses erforderlich sein. Schulzeugnisse werden von den Zeugnisanerkennungsstellen der einzelnen Bundesländer anerkannt. Die zuständige Stelle finden Sie auf dem Informationsportal anabin. Ausbildungsbetriebe können sich dort auch über ausgewählte ausländische Schulabschlüsse informieren. Zudem bietet das BQ-Portal  Informationen zu ausländischen Bildungssystemen an. Damit können Arbeitgeber und Ausbildungseinrichtungen in Deutschland selbst die schulische Laufbahn von ausländischen Bewerberinnen und Bewerbern einschätzen.

Sprachkenntnisse: Für die Aufnahme einer Berufsausbildung in Deutschland gibt es keine allgemeine Vorschrift im Hinblick auf die erforderlichen Deutschkenntnisse. Das Spracherfordernis wird durch den Ausbildungsbetrieb bzw. die Ausbildungseinrichtung festgelegt. Vor dem Ausbildungsstart können ausländische Bewerberinnen und Bewerber erste Deutschkenntnisse in ihren Herkunftsländern erwerben. Diese reichen aber in der Regel nicht aus, um die Berufsausbildung erfolgreich zu absolvieren. Daher sollten Ausbildungsbetriebe den Auszubildenden den weiteren Besuch von Sprachkursen ermöglichen. Beispielsweise kann die Teilnahme an berufsbezogenen Sprachkursen vor Ausbildungsstart beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beantragt werden. Auch das vhs-Lernportal bietet kostenlos digitale Kurse an.

Visaregelungen: Je nachdem aus welchen Ländern die ausländischen Ausbildungsinteressierten kommen, gelten unterschiedliche Visabestimmungen. Personen, die die Staatsangehörigkeit eines EU- oder EFTA-Staates [4] haben, können ohne aufenthaltsrechtliche Vorschriften eine Berufsausbildung in Deutschland beginnen. Sie brauchen weder ein Visum noch eine Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthalt und den Ausbildungsstart. Für die Einreise nach Deutschland reicht ein gültiger Personalausweis. Sobald ein konkreter Ausbildungsplatz vorliegt, kann die Berufsausbildung ohne Weiteres angetreten werden. 

Bewerberinnen und Bewerber aus Drittstaaten müssen ein Visum zum Absolvieren einer Berufsausbildung (§16a AufenthG) bei der zuständigen Auslandsvertretung in ihrem Land beantragen. Dafür müssen folgende Grundvoraussetzungen erfüllt werden: 

  • Ein konkreter Ausbildungsplatz muss vorliegen.
  • Der Bewerber oder die Bewerberin verfügt über das für die Berufsausbildung erforderliche Sprachniveau. Für eine qualifizierte Berufsausbildung werden in der Regel ausreichende deutsche Sprachkenntnisse (Niveau B1 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen (GER)) vorausgesetzt. Ein Nachweis darüber wird verlangt, sofern die für die konkrete qualifizierte Berufsausbildung erforderlichen Sprachkenntnisse weder durch die Bildungseinrichtung geprüft worden sind, noch durch einen vorbereitenden Deutschsprachkurs erworben werden sollen.
  • Der Lebensunterhalt muss während der gesamten Ausbildungszeit gesichert werden. In der Regel müssen die Antragstellerinnen und -steller nachweisen, dass ihnen monatlich mindestens 832 Euro (für das Jahr 2022) zur Verfügung stehen. Wird ein Ausbildungsgehalt gezahlt, kann dieses als Nachweis gelten, wenn es mindestens 909 Euro (brutto) im Monat beträgt. Bei kostenfreier Unterkunft oder Verpflegung reduzieren sich die Beträge [5]. Bei einer schulischen Berufsausbildung ohne Ausbildungsgehalt kann die Abgabe einer Verpflichtungserklärung durch eine dritte Person eine Option für die Finanzierung sein. 

Am 30. Juni 2021 hielten sich gut 29.000 Drittstaatsangehörige in Deutschland mit einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung auf. Davon wurden 4.097 zum ersten Mal im ersten Halbjahr 2021 erteilt [6]

Info-Box

Aktuell existieren viele Projekte, die KMU in Deutschland bei der Gewinnung ausländischer Auszubildender unterstützen. Eine Auswahl dieser Projekte ist auf „Make it in Germany“ auffindbar. 

Nach dem Abschluss: Perspektiven in Deutschland 

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung stehen den Absolventinnen und Absolventen verschiedene Möglichkeiten offen. Die ausgelernten Auszubildenden dürfen bei Abschluss einer qualifizierten Ausbildung, d. h. einer mindestens 2-jährigen Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Beruf, in ihrem erlernten Beruf ohne Einschränkungen arbeiten. Da der Abschluss in Deutschland erworben wurde, ist eine Berufsanerkennung nicht notwendig. Viele Unternehmen übernehmen ihre Auszubildenden nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung. Für die Weiterbeschäftigung als Fachkraft benötigen die neuen Fachkräfte eine Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (§ 18a AufenthG), wenn sie vorher eine Aufenthaltserlaubnis für die Berufsausbildung (§ 16a AufenthG) besaßen und nicht die Staatsangehörigkeit eines EU- oder EFTA-Staates innehaben. Der Wechsel des Aufenthaltsstatus ist unmittelbar nach dem erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung in Deutschland möglich und bei der zuständigen Ausländerbehörde zu beantragen.

Eine weitere Möglichkeit ist es, nach der Ausbildung eine berufliche Fortbildung in dem erlernten Berufsfeld zu absolvieren und sich somit weiter zu spezialisieren. In handwerklichen Berufen können sich die ausgebildeten Fachkräfte zum Meister bzw. zur Meisterin fortbilden. Mit einem Abschluss der höherqualifizierenden Berufsbildung arbeiten die Absolventinnen und Absolventen häufiger in Führungspositionen oder gründen eigene Betriebe.

Auch ein Hochschulstudium nach der Berufsausbildung ist möglich. In der Regel besteht mit dreijähriger Berufserfahrung ein Hochschulzugang für ein Studium, welches eine fachliche Nähe zum Beruf aufweist. Mit einem deutschen Meistertitel und anderen hochqualifizierten Berufsbildungsabschlüssen wird vielfach eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung erworben, sodass die Fachrichtung frei gewählt werden kann. Abhängig vom Herkunftsland und dem dortigen Bildungssystem kann ein im Ausland erworbener Schulabschluss auch direkt zum Hochschulzugang berechtigen (weitere Informationen auf dem Portal Anabin).
 

Weitere Informationen auf dem Portal

Quick-Check für Arbeitgeber 
Rubrik „Gezielt rekrutieren“ 
Anleitung „Stellenanzeigen auf Make it in Germany veröffentlichen"


[1] Jansen, Anika / Hickmann, Helen / Werner, Dirk, 2022, Steigendes Ausbildungsangebot in Berufen mit langjährigem Fachkräftemangel, IW-Kurzbericht, Nr. 41, Köln
[2] Bundesagentur für Arbeit, 2021, Situation auf dem Ausbildungsmarkt – Berichte: Arbeitsmarkt Kompakt- Oktober 2021,
 Bellmann et al., 2021, Der Mangel an Bewerbungen bremst die Erholung am Ausbildungsmarkt, in: IAB-Forum

[3] Statistisches Bundesamt, Datenbank der Berufsbildungsstatistik 
[4] Die Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Asscociation, kurz: EFTA) ist eine internationale Organisation, die derzeit vier Länder umfasst: Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Hauptziel der EFTA ist, den Freihandel zwischen ihren Mitgliedstaaten und mit der EU zu fördern. 
[5] Siehe auch Ziffer 2.3.2.6 der Anwendungshinweise zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz vom 06. August 2021 
[6] BAMF, 2022, Monitoring zur Bildungs- und Erwerbsmigration: ein Bericht für das erste Halbjahr 2021 

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