Fachkräftegewinnung mit der Anerkennungspartnerschaft – Ein Praxisbeispiel

© Landgasthof Meimers "Zur guten Quelle"

Stand: 12. März 2025

Markus Harrer ist Inhaber des urigen Landgasthofes „Zur guten Quelle“ in Meimers im Thüringer Wald. Der Gasthof lockt mit traditionellen Gerichten wie Rouladen sowie hochwertigen Fertiggerichten im Glas. Diese Gerichte auf der Speisekarte sind neu für Thi Thía Lê: Erst seit wenigen Monaten verstärkt die Köchin aus Vietnam den Familienbetrieb. Sie hat in der kurzen Zeit schon einiges über die Thüringer Küche gelernt – aber auch der Gasthof kann noch viel durch sie gewinnen, wie Herr Harrer uns verraten hat.

 

Doch wie kam Frau Lê aus der vietnamesischen Region Hà Nam in den kleinen Ort in der Mitte Deutschlands? In Vietnam bildete sie selbst an einer Schule andere Köchinnen und Köche aus. Den Weg nach Deutschland fand sie schließlich über ihre Deutschlehrerin: Diese hatte über ihre Arbeit als Dolmetscherin Kontakte in den Thüringer Südwesten, wo der Landgasthof liegt. So erfuhr Frau Lê vom Projekt „ViTa“.

In Thüringen spielen persönliche Empfehlungen und Erfolgsgeschichten anderer Unternehmen eine zentrale Rolle für das Projekt. So auch beim Landgasthof „Zur guten Quelle“: Inhaber Markus Harrer erfuhr über einen befreundeten Unternehmer von der Möglichkeit. Dieser hatte für seine Supermarkt-Filiale bereits Verstärkung aus Vietnam mithilfe von “ViTa” rekrutiert. Nach einer telefonischen Beratung durch Herrn Zhao Chen, Integrationskoordinator im Projekt bei der Handwerkskammer Südthüringen, wurde Herrn Harrer die Köchin Thi Thía Lê vorgestellt. Mit ihrer zweijährigen Ausbildung in „professionellen Kochtechniken“ schien sie gut geeignet. Nach einem Vorstellungsgespräch per Videocall war die Entscheidung schnell gefallen: It’s a Match! Frau Lê sollte bald „Zur guten Quelle“ unterstützen – wenn möglich noch pünktlich zum Weihnachtsgeschäft.

Anerkennungspartnerschaft und beschleunigtes Fachkräfteverfahren

Nach eingehender Beratung entschieden Herr Chen von der HWK Südthüringen und Herr Harrer: Sie wollten den noch recht neuen Weg der Anerkennungspartnerschaft gehen und dafür das beschleunigte Fachkräfteverfahren anwenden. Die IHK überprüfte zunächst kurzfristig die Ausbildungsbefähigung des Betriebes, welche für die Anerkennungspartnerschaft bestätigt sein muss. Dann kontaktierte Herr Chen die lokale Ausländerbehörde, um das beschleunigte Fachkräfteverfahren anzustoßen[1].

Nun waren einige bürokratische Schritte notwendig:

  • Die Fachkraft Frau Lê und der Arbeitgeber Herr Harrer schlossen einen Arbeitsvertrag inklusive einer Zusatzvereinbarung für die gemeinsame Durchführung der Anerkennungspartnerschaft.
  • Die Digitale Auskunft zur Berufsqualifikation (DAB) wurde bei der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) eingeholt, um nachzuweisen, dass der Berufsabschluss von Frau Lê als Köchin in Vietnam staatlich anerkannt ist.
  • Die Bundesagentur für Arbeit stimmte der Beschäftigung zu: Hierfür prüfte sie das Gehalt von Frau Lê im Rahmen der ortsüblichen Vergütung als Köchin. Ein Kennzeichen der Anerkennungspartnerschaft ist die direkte Anstellung als Fachkraft – auch wenn die berufliche Anerkennung erst noch erworben wird.
  • Die Ausländerbehörde erteilte die Vorabzustimmung zum Visum. Diese legte Frau Lê der deutschen Botschaft in Hanoi vor, vereinbarte einen Termin und erhielt schließlich ihr Visum, zunächst für ein Jahr.

Die Ankunft in Deutschland

Kurz vor Weihnachten war es soweit: Frau Lê kam in Thüringen an und wurde herzlich in den Familienbetrieb aufgenommen. Sie wohnt zusammen mit drei weiteren vietnamesischen Projektteilnehmenden in einer WG in Schweina (ein Ortsteil des Nachbarortes Bad Liebenstein). Der Inhaber des Landgasthofs hatte zuvor Mobiliar für sie besorgt, holt sie täglich mit dem Auto zur Arbeit ab und nimmt sie gelegentlich mit zum Einkaufen. Langfristig überlegen beide, ob Frau Lê einen Motorroller kauft – dieser ist in Vietnam weit verbreitet und im ländlichen Schweina fahren selten Busse. Hier müsste dann noch die Umschreibung des vietnamesischen Führerscheins in die Wege geleitet werden. 

In der Anfangsphase in Deutschland standen erst einmal viele bürokratische Schritte an und Frau Lê musste ihre neue Umgebung kennenlernen. Gerade in dieser Phase ist es wichtig, dass Arbeitgeber ihre neuen Fachkräfte etwas an die Hand nehmen, was durchaus zeitlichen Aufwand bedeutet. Doch je besser der Start gelingt, desto schneller findet auch eine nachhaltige Integration im Betrieb statt. 

© Markus Harrer / Landgasthof Meimers "Zur guten Quelle"

Integration im Betrieb

Wie läuft nun die Zusammenarbeit im Betrieb? Markus Harrer ist überzeugt von seiner neuen Köchin und froh, dass sie das Feiertagsgeschäft noch unterstützen konnte. Die Qualität der Arbeit von Frau Lê sei sauber, akkurat und sie stehe in Deutschland ausgebildeten Köchinnen und Köchen in nichts nach, was ihre fachlichen Fähigkeiten betrifft.

Natürlich war gerade in der Anfangszeit eine nicht unerhebliche Sprachbarriere vorhanden. Zwischen Deutschkurs und Ausreise aus Vietnam hatte es eine Phase ohne deutsche Sprachpraxis gegeben – und das machte sich im Arbeitsalltag des Gasthofes bemerkbar. Glücklicherweise ist jedoch in diesem Fall eine vietnamesischsprachige Servicekraft vor Ort, die anfangs mit kleineren Übersetzungen helfen konnte. Nach weniger als zwei Monaten sind schon deutliche Fortschritte in der Kommunikation auf Deutsch erkennbar.

Frau Lê besucht mittlerweile einen Online-Deutschkurs der Berufsakademie und nutzt auch Apps, um ihre Sprachkenntnisse im Bereich „Küche“ zu verbessern – eine Lösung für Regionen wie das ländliche Thüringen, in denen es nicht viele Präsenz-Angebote zum Deutschlernen gibt 

Und was die Speisekarte angeht? Rouladen zu rollen und Schnitzel zu panieren, das kannte die Köchin aus ihrer Heimat Vietnam nicht. Ein kleiner „Crashkurs“ der Thüringer Küche stand also zunächst auf dem Programm. Andersherum könne aber auch der Gasthof von der Vietnamesin profitieren, so Herr Harrer. Er kann sich sogar vorstellen, die kulinarischen Unterschiede in einer deutsch-vietnamesischen Fusionsküche zu vereinen und beispielsweise Frühlingsrollen mit regionalen Beilagen zu servieren. Der Inhaber ist bereits jetzt so zufrieden, dass er den Weg wieder gehen würde.

Wie geht es mit der Anerkennung weiter?

Nach der Ankunft der Köchin wurde der Antrag auf berufliche Anerkennung bei der IHK FOSA gestellt. Das Ergebnis wird zeigen, ob noch Kenntnisse und Fähigkeiten nachträglich erlernt werden müssen, damit der vietnamesische Berufsabschluss in Deutschland voll anerkannt ist. Ist dies der Fall, kann die Aufenthaltserlaubnis für die Anerkennungspartnerschaft um bis zu zwei weitere Jahre verlängert werden, um das Anerkennungsverfahren vollständig abzuschließen. Die Köchin könnte in dieser Zeit weiterbeschäftigt werden und die festgestellten Unterschiede im Vergleich zur deutschen Berufsausbildung ausgleichen. Der Gasthof wäre dann verpflichtet, Frau Lê für den erforderlichen Zeitraum freizustellen, um an Ausgleichsmaßnahmen teilzunehmen. 

Infobox

Erlangt die Fachkraft nicht die volle Gleichwertigkeit der ausländischen Berufsqualifikation, kann auch eine Beschäftigung im Rahmen der Sonderregelung für Berufserfahrene geprüft werden, wenn es sich nicht um einen reglementierten Beruf handelt.

Herr Chen von der HWK Südthüringen begleitet Frau Lê und den Betrieb weiterhin engmaschig und unterstützt bei den noch andauernden bürokratischen Schritten. Das Beispiel zeigt: Mit Engagement und den richtigen Partnern an der Seite kann die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland auch für kleine Familienbetriebe erfolgreich sein.

„Make it in Germany” bedankt sich herzlich bei Thi Thía Lê, Markus Harrer und Zhao Chen für das Teilen Ihrer Erfahrungen!

Verweise

[1] Der Arbeitgeber bevollmächtigte dafür den Integrationskoordinator. In einigen Bundesländern sind zentrale Ausländerbehörden zuständig, in Thüringen gibt es jedoch keine.

 

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